Wenn die Luft knapp wird

Fotos: Slawik

Schimmeliges Futter, staubige Einstreu, schlechte Luft: All das reizt die Atemwege des Pferdes, das von Natur aus ein Freiluftgeschöpf ist. Die Folge? Husten. Bei Nicht-Behandlung folgt im schlimmsten Fall eine Asthma-Erkrankung. Das muss aber nicht sein, wenn das Haltungs- und Fütterungsmanagement verbessert wird.

Die Lunge des Pferds betreibt Hochleistungssport. Fast 90.000 Liter Luft pro Tag durchströmen das Organ bei einem erwachsenen Tier. In dieser großen Menge gelangen auch jede Menge Schadstoffe und Staubpartikel in die Atemwege und Lunge. Was passiert? Das Pferd hustet. Das ist erst einmal nicht schlimm, denn Husten ist eine normale Schutzreaktion des Körpers. Atmet es z.B. Staubpartikel ein, reizt dies die Rezeptoren an den Schleimhäuten der Luftröhre und Bronchien. Es kommt zum Hustenreflex. Dieser Selbstreinigungsmechanismus hilft Krankheitserreger, Schleim und andere Sekrete aus den Atemwegen zu befördern, um diese frei zu halten. Er sollte nicht unterdrückt werden. Denn im Gegensatz zu uns Menschen können die Tiere Luft nur über ihre Nase einatmen, nicht aber über den Mund. Das heißt: Muss ein Pferd husten, sollte es dieses (auch beim Reiten) jederzeit tun dürfen.

Virale und bakterielle Infektionen

Husten tritt aber auch als typisches Symptom von Erkrankungen der Atemwege auf. Um ihn behandeln zu können, ist es erforderlich, den genauen Auslöser für den Hustenreiz zu kennen. Das können Infektionen mit Viren und Bakterien sein. Trockener Husten in Verbindung mit hellem, dünnflüssigen, wässrigen Ausfluss und einer erhöhten Temperatur von über 38 Grad deutet auf eine Virusinfektion hin, die in der Regel durch eine Stärkung des Immunsystems behandelt wird und meist innerhalb von ein bis zwei Wochen abklingt.

Hier hilft zusätzlich die Gabe von Kräutern. Vor allem Spitzwegereich, Thymian, Fenchel, Isländisch Moos, Eukalyptus, Malve und Huflattich können beim Abhusten, Schleimlösen und Durchatmen helfen. Die Intensität der pflanzlichen Präparate lässt sich übrigens noch steigern, indem sie als Sud zubereitet werden. Schwarzkümmelöl wird ebenfalls eine schleimlösende und immunstärkende Wirkung nachgesagt. 

Normalisiert sich die Körpertemperatur nach ein paar Tagen nicht und verstärkt sich der Husten, kann aus der viralen Infektion eine bakterielle geworden sein. Da die Erreger bei Virusinfektionen meist ansteckend sind, ist es durch Tröpfcheninfektion von Tier zu Tier möglich innerhalb kürzester Zeit einen gesamten Bestand zu infizieren. Ein erkranktes Tier sollte daher isoliert werden.  

 

Mildes und schweres Asthma

Hustet der Vierbeiner gelegentlich, aber länger als drei Wochen, manchmal nur am Anfang der Belastung oder währenddessen, könnte es sich um die milde bis moderate Form von Asthma handeln: Inflammatory Airway Disease (kurz: IAD). Weitere Anzeichen sind eine Leistungsminderung, eine verschärfte Atmung bei und eine verzögerte Normalisierung der Atemfrequenz nach Anstrengung. Welche Ursachen der IAD zugrunde liegen, darüber sind sich die Experten bisher nicht einig. Sind es atemwegsreizende und allergene Stoffe aus dem Heu- und Strohstaub oder doch andauernde bakterielle oder virale Infektionen? Diese Frage bleibt (noch) unbeantwortet. Fest steht, die milde Form tritt bei Pferden aller Altersklassen weitaus häufiger auf als die schwere Form des Asthmas Recurrent Airway Disease (kurz: RAO). Aus der IAD kann sich aber bei einem dauerhaft schlechtem Haltungsmanagement eine RAO entwickeln.

Je länger eine Reizung und Störung der Lungen besteht, desto flacher wird der Husten, bis er schließlich kaum noch oder nur sporadisch bei Belastung zu hören ist. Die negativen Veränderungen tief in der Lunge finden aber weiter statt. Das Pferd lässt stark in seiner Leistungsfähigkeit nach. Weitere charakteristische Merkmale der RAO sind eine Schwellung der Schleimhaut, vermehrte Schleimbildung, Hustenattacken bzw. Krämpfe der Bronchialmuskulatur, eine erhöhte Atemfrequenz (auch im Ruhezustand) sowie im späteren Stadium eine erschwerte, doppelschlägige Atmung mit weit gestellten Nüstern, an der auch die Bauchmuskeln beteiligt sind.

Chronische Atemwegserkrankung

A propos Atmung: Ein gesundes Pferd nimmt durch die eingeatmete Luft Sauerstoff auf, welcher im Austausch gegen CO2 in den Lungenbläschen an das Blut weitergegeben wird. Dieser Prozess findet bei einem Pferd mit RAO nur eingeschränkt statt, weil die Atemluft durch die verengten Bronchien und durch den vielen Schleim schlecht in die Lungenbläschen gelangt. Auch die Ausatmung, die normalerweise fast passiv erfolgt, ist erschwert. Durch die verringerte Lungenelastizität kann die eingeatmete Luft nicht mehr ausgestoßen werden.

Den erhöhten Atemwiderstand kompensiert das Pferd, indem Brustkorb und die Muskulatur der Bauchwand zusammenarbeiten. Die Beteiligung der so genannten Bauchpresse an der Atmung führt zu einer „Dampfrinne“, einer seitlichen Einkerbung zwischen Bauchmuskel und Rippenbogen. Hält dieser Prozess länger an und kehrt er oft wieder, kommt es zu einer Verdickung des Lungengewebes („Remodelling“). Das wiederum schränkt die Lunge in ihrer Funktion ein. Es entsteht quasi eine Art Vernarbung, die sich durch Medikamente nicht mehr behandeln lässt.

Innerhalb der RAO werden zwei weitere Formen unterschieden: die Stall- und die Sommer-assoziierte Variante. Im Sommer haben einige Asthmatiker aufgrund der Hitze Probleme, weil die Wärmeregulation zum großen Teil über die Lunge abläuft. Viele Pferde, die den Rest des Jahres gut mit der IAD zurechtkommen, pumpen schnell und sind schlapp. Wichtig: Die milde Asthmaform ist nicht mit einer Allergie gegen Gräser oder Pollen zu verwechseln. Führen Einflüsse auf der Sommerweide zu einer starken Asthma-ähnlichen Reaktion, geht es dem Pferd aber im Stall mit Heufütterung besser, ist der Fall klar.

Staub als Allergieauslöser

Von der Stall-assoziierten Atemwegsobstruktion sind aufgestallte Pferde vor allem in der weidefreien Zeit, also im Winter, betroffen. Sie husten, weil ihre Lunge stärker als nötig und in einer allergieähnlichen Art auf Pilzsporen und Feinstaub reagiert, die hauptsächlich in Heu und Stroh zu finden sind. Umgangssprachlich wird von einer „Stauballergie“ gesprochen. Bei wiederholtem Kontakt mit Schadstoffen kann es zu einer dauerhaften Schädigung der Lunge kommen. Pferde-Asthma kann ebenso genetisch bedingt sein. Der Nachwuchs eines erkrankten Tieres hat ungefähr ein fünffach erhöhtes Risiko daran zu erkranken.

Dass so viele Pferde mit Husten und/oder Asthma zu kämpfen haben, dürfte eigentlich nicht verwundern. Ihr natürlicher Lebensraum ist die offene Landschaft. Darauf ist ihr gesamtes Immunsystem ausgerichtet. Gerade im Winter reagieren sie deshalb durch unnatürliche Haltungsbedingungen in warmen, schlecht belüfteten und staubigen Ställen mit Atemwegsproblemen. Hinzu kommen vom Menschen bearbeitete Raufuttermittel und Einstreu. Abhilfe kann nur ein verbessertes Haltungs- und Fütterungsmanagement schaffen.

Um eine Atemwegserkrankung festzustellen, wendet der Tierarzt verschiedene diagnostische Methoden an. Zunächst erfolgt das Abhören, das in mittleren bis schweren Fällen fast immer einen deutlichen Befund liefert. Es gibt aber auch Pferde, bei denen sich durch das Abhören rein gar nichts feststellen lässt, obwohl sie husten und lungenkrank sind. Dann misst der Tierarzt die Atemfrequenz in Ruhe und nimmt zusätzlich eine Auskultation nach einer Atemhemmprobe, bei der kurzzeitig die Pferdenase zugehalten wird, und nach körperlicher Belastung vor.

Untersuchungen des Atemsystems

Müssen die Atemwege genauer untersucht werden, kommt die Bronchoskopie ins Spiel. Hierbei wird der Grad der Schleimhautschwellung und die Beschaffenheit sowie die Menge des Sekrets in der Luftröhre beurteilt und eine Sekretprobe zur mikroskopischen Untersuchung auf Krankheitserreger entnommen. Diese Untersuchung liefert aber nicht immer eine Ursache. Denn scheinbar gesunde Pferde können viel Schleim in der Luftröhre haben und Pferde mit einem Lungenschaden können endoskopische Bilder von Kehlkopf und Luftröhre aufweisen, die ohne besondere Auffälligkeiten sind.

Im Rahmen der Bronchoskopie wird zudem die Bronchoalveoläre Lavage zur Probengewinnung angewendet. Aus der Flüssigkeit, die bei dieser Lungenspülprobe aus der Tiefe der Lunge (kleine Bronchien und Lungenbläschen) gewonnen wird, kann die Zusammensetzung der Immunzellen in den unteren Atemwegen festgestellt und beurteilt werden. Daraus wird der Schweregrad und die Art des Equinen Asthmas bestimmt.

Dann wäre da noch die Blutgasanalyse. Dazu punktiert der Tierarzt die Halsschlagader am Übergang der Vorderbrust in den Hals und misst anschließend den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes. Dieser kann bei Beginn einer Behandlung helfen, einen Istwert zu ermitteln. Durch wiederholte Messungen lässt sich die Wirksamkeit einer Behandlung leichter feststellen. Im Zweifelsfall und nur ergänzend kommen Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen zum Einsatz.

Welche Medikamente helfen?

Ist eine Diagnose gestellt, beginnt die medikamentelle Therapie. Welches Medikament wann zum Einsatz kommt, ist abhängig von der Art und Schwere der Atemwegserkrankung. Ein Patentrezept gegen Husten gibt es nicht. Bei einer bakteriellen Infektion verschreibt der Tierarzt Antibiotika. Zur Entkrampfung bzw. Erweiterung der Bronchien kommen Bronchienerweiterer zum Einsatz, die allein verwendet nur wenige Tage lang wirken. Danach tritt ein Gewöhnungseffekt ein. Dazu zählen u.a. Ventipulmin oder Equipulmin. Darüber hinaus sind Schleimlöser im Einsatz, die das Sekret flüssig halten, damit es aus den Atemwegen herauskommen kann. Gute Dienste leisten z.B. Acetylcystein, Dembrexin oder Bromhexin. Bei weit fortgeschrittenen Fällen oder einem akuten schweren Asthmaanfall wirkt meist nur noch Cortison als Entzündungshemmer, das je nach Fall injiziert oder oral gegeben wird. Auch eine Inhalation kann effektiv sein.

Um die Heilung zu beschleunigen, kommt ebenso eine Kur an der Nord- oder Ostsee infrage. Die Meeresluft enthält natürliche Salzwassertröpfchen, welche die Schleimhäute angenehm feucht halten. Der Schleim löst sich und das Pferd kann besser Luft holen. Es gibt Ställe, die sich auf die Aufnahme von Atemwegspatienten spezialisiert haben. Wichtig ist aber, dass sich die Haltungsbedingungen zu Hause dauerhaft ändern. Sonst bringen Kur oder Medikamente nur einen kurzfristig positiven Effekt.

Eher selten wird die sogenannte Lungenwäsche oder -spülung angeboten. Hierbei werden dem Pferd intravenös oder per Nasenschlundsonde große Mengen an Waser verabreicht, die ins Gewebe und in die Bronchien diffundieren. Der zähe Schleim verdünnt sich und kann leichter abgehustet werden. Diese Behandlung wird in einer Klinik unter permanenter Überwachung durchgeführt. Sie ist nicht nur sehr kosten- und arbeitsaufwendig, sondern auch risikobehaftet, da der Kreislauf enorm belastet wird. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem lebensgefährlichen Kreislaufversagen.

Fütterung & Haltung verbessern

Pferde sollten möglichst artgerecht gehalten und gefüttert werden. Ein gutes Management beugt Atemwegserkrankungen am besten vor. Folgende Maßnahmen sind sinnvoll:

 

·       Mehr frische Luft: 24 Stunden Frischluft am Tag ist der beste Weg, um ein lungenkrankes Pferd wieder gesund zu bekommen. Es genügt nicht, den Vierbeiner ein paar Stunden auf die Koppel zu stellen, wenn der Rest des Tages im staubbelasteten Stall verbracht wird.

·       Fenster öffnen: Ein Stall sollte zu jeder Jahreszeit gut belüftet sein. Wärme im Stall braucht es nicht. Wenn das Pferd kein dichtes Winterfell bekommen soll, ist es besser einzudecken, als die Fenster zu schließen.

·       Staubfreie Einstreu wählen: Entstaubte Holzspäne, Holzhäcksel, Hanf, Erdboden, Bio-Kompost, grobkörniger Sand oder Gummimatten – heute gibt es viele gute Alternativen zu Stroh.

·       Einwandfreies Raufutter geben: Schimmeliges, staubiges Raufutter sollte nicht verfüttert werden. Schimmelsporen befinden sich, auch wenn nur ein Teil des Ballens sichtbar betroffen ist, bereits überall. Nasses oder bedampftes Heu ist für lungenkranke Pferd ideal, da so staubförmige Allergene gebunden werden, die geschluckt weniger schaden als inhaliert.

·       Fütterung aus Netzen vermeiden: Die Fütterung aus Netzen kann Probleme verursachen, da beim Herauszupfen des Heus eine Staubwolke frei wird. Wichtig ist auch eine natürliche Fresshaltung mit gesenktem Kopf. So kann das Nasensekret mit den darin gebundenen Staubpartikelchen abfließen und seine natürliche Filter- und Reinigungsfunktion erfüllen. Das ist beim Fressen mit erhobenem Kopf nicht gegeben.

·       Vorsicht bei großen Raufen: Große Raufen bergen die Gefahr, dass das Pferd beim Fressen tief mit den Nüstern „im Heu steckt“. Sind sie schlecht gegen die Witterung geschützt, sammelt sich vor allem in Rundballen Feuchtigkeit, der Schimmel entstehen lässt.

·       Arbeitsabläufe verändern: Beim Misten, Einstreuen und Stall fegen sollte das Pferd nicht in der Box stehen. Heu und Stroh sollten nicht auf der Stallgasse oder auf dem Dachboden über den Boxen lagern.

·       Box wechseln: Erhält der Boxennachbar des erkrankten Pferdes Heu und Stroh, verteilt sich der Staub während und nach dem Einstreuen im ganzen Stall. Das hält den Krankheitsprozess weiter am Laufen. Ist ein Boxenwechsel innerhalb des Stalls nicht möglich, sollte über einen Umzug nachgedacht werden.

Inhalation als effektive Therapie

 

Was bewirkt eine Inhalation?

Mit der Inhalationstherapie werden Medikamente und andere gelöste Stoffe mithilfe eines Gerätes zerstäubt. Sie gelangen über die Einatmung in die Atemwege, lockern und verflüssigen das Sekret in den Bronchien, lösen Verkrampfungen der Bronchialmuskulatur und hemmen Entzündungen im Lungengewebe. Da die Stoffe direkt an ihrem Bestimmungsort ihre Wirkung entfalten, kann die Medikamentendosis oft deutlich reduziert werden.

Welche Inhalationsgeräte bietet der Markt?

Es gibt unterschiedlichste Geräte am Markt: Dosieraerosolsprays setzen den Wirkstoff in portionierten Dosen als Aerosol mittels Sprühstoß frei. Kompressorvernebler vernebeln verschiedene Wirkstoffe mit Hilfe von Druckluft. Ultraschallvernebler erzeugen Aerosol mittels mechanischer Schwingungen, die auf einen Flüssigkeitsfilm übertragen werden. Bei Mesh-Vernebler „schwimmt“ das Medikament auf einer löchrigen Bodenplatte (ähnlich wie bei einem Sieb). Durch elektrische Impulse wird es in Schwingung versetzt und das Medikament gelangt durch die Löcher.

 

Worauf sollte der Pferdebesitzer beim Kauf achten?

Inhalationsgeräte sollten so geräuscharm wie möglich arbeiten und möglichst kleine Partikel produzieren (fünf µm oder kleiner). Gleichzeitig sollte der Output des Gerätes im Verhältnis zur Partikelgröße stehen, um die Inhalationsdauer kurz zu halten. Die Leistungsfähigkeit sollte bei zwölf bis 15 Milliliter zu vernebelndes Medikament in 15 Minuten liegen. Die Inhalationsmaske sollte für das Pferd individuell anpassbar sein und möglichst dicht abschließen.

 

 

Sole – stationär und mobil

Immer mehr Pferdebesitzer schwören auf Sole-Therapie für ihr Pferd. Eine Solekammer lässt sich in jedem Stall installieren – weniger aufwendig ist jedoch, einen Sole-Anhänger zu nutzen, auf den die Pferde für die Therapie gestellt werden. Die so genannte Rauminhalation erfolgt mit Sole und/oder ionisiertem Sauerstoff und sorgt dafür, dass das Pferd wieder freier durchatmen kann. Dafür muss sich der Besitzer nicht eigens einen Anhänger anschaffen – immer mehr Firmen bieten die Therapie an und kommen dafür in den eigenen Stall.

Zum Seitenanfang