Dressur: Nachwuchs-Europameisterschaften in Italien beginnen

 Warendorf  Sport

Symbolfoto

Deutsches U25-Team hat viertes Mannschaftsgold in Folge im Visier

An Urlaub ist für die deutschen Nachwuchsdressurreiter in dieser Woche nicht zu denken – auch wenn das Städtchen San Giovanni in Marignano an der italienischen Adriaküste der perfekte Ort dafür wäre. Dort beginnen am Mittwoch die Europameisterschaften der Children, Junioren und Jungen Reiter. Erstmals bei einem solch großen Championat mehrerer Alterklassen sind auch die U25-Reiter dabei. 2016 führte der Weltreiterverband FEI eine eigene Europameisterschaft für diese Altersklasse ein. Seitdem sind die deutschen Reiter in der Teamwertung ungeschlagen. Klar, dass sie auch im vierten Jahr als Favoriten auf Mannschaftsgold gelten. Bundestrainer Sebastian Heinze und Equipechefin Heike Kemmer treten mit einer Equipe aus zwei erfahrenen Championatsreiterinnen und zwei Neulingen an.

Zunächst das Wichtigste vorweg: Alle Reiter und Pferde sind gut in Italien angekommen. Bis Sonntagabend hatte das Team ein Trainingslager im bayerischen Ising absolviert, sodass die Fahrt nach Italien auch für die westfälischen Mannschaftsmitglieder nicht mehr allzu lang war. „Wir hatten ein gutes Trainingslager mit tollen Möglichkeiten. Die Stimmung im Team ist gut und alle Pferde sind nach der Fahrt entspannt angekommen. Auch hier in Italien haben wir Top-Bedingungen“, berichtet Sebastian Heinze. Er erhält in diesem Jahr erstmals Unterstützung von einer neuen Equipechefin, der zweifachen Mannschaftsolympiasiegerin Heike Kemmer. Gemeinsam richten sie den Fokus zunächst auf die Teamwertung, die über zwei Tage in einer Prüfung auf dem Niveau Intermediaire II ausgetragen wird. Ann-Kathrin Lindner mit Sunfire und Raphael Netz mit Lacoste machen am Mittwoch den Auftakt für das deutsche Team. Am Donnerstag folgen Bianca Nowag mit Sir Hohenstein und Jil-Marielle Becks mit Damon’s Delorange. Beide gehörten schon im vergangenen Jahr zur siegreichen deutschen Equipe. Becks gewann zudem Einzelgold im Kurz-Grand-Prix und wurde Vize-Europameisterin in der Kür.

Die Reiterin und Pferdezüchterin aus Senden legte im vergangenen Jahr einen kometenhaften Aufstieg hin. Mit ihren erst 20 Jahren etablierte sich Jil-Marielle Becks auf Anhieb in der Altersklasse U25. Nach der erfolgreichen EM gewann sie mit Damon’s Satelite NRW auch noch die Nachwuchsserie Piaff-Förderpreis. In diesem Jahr vertritt sie mit der westfälischen Stute Damon’s Delorange (von Damon Hill – Rubin Royal), der Vollschwester von Satelite und ebenfalls selbst gezogen, die deutschen Farben bei der EM. „Satelite hat letztes Jahr alles gewonnen, das hätten wir in diesem Jahr kaum toppen können. Mit ihm habe ich beschlossen, schonmal ein wenig in den großen Sport bei den Senioren hineinzuschnuppern. Deshalb fiel letztlich die Entscheidung, mit Delorange zur EM zu fahren“, sagt Becks. „Delorange ist eine Diva und man weiß nie so genau, wie ihre Laune am nächsten Tag ist. Aber sie hat über den Winter super Fortschritte gemacht und mir von Beginn der Saison an das Gefühl gegeben, dass sie mitmachen möchte. Die Sichtungen sind super gelaufen.“ Druck wolle sie sich als Titelverteidigerin nicht machen: „Ich lasse es auf mich zukommen. Mein Pferd und ich müssen nicht mehr viel beweisen. Ich freue mich auf die EM und glaube, dass wir ein super Team mit tollen Reitern und Pferden haben. Natürlich wäre es schön, wenn wir den Titel mit der Mannschaft verteidigen können.“

Ann-Kathrin Lindner (Ilsfeld) ist 22 Jahre alt und gehört zu den Newcomern im deutschen Team. Die hauptberufliche Physiotherapeutin wurde erst in diesem Jahr in den deutschen U25-Kader berufen – dank ihrer Erfolge mit dem baden-württembergischen Wallach Sunfire (von San Amour – Freudenfeuer). Im Februar nahmen die beiden erfolgreich am Piaff-Förderpreis-Lehrgang in Warendorf teil. Bei der ersten Station der Nachwuchsserie in Mannheim, die gleichzeitig erste EM-Sichtung war, belegten die beiden zwei Mal Platz zwei und unterstrichen somit ihre Ambitionen auf eine EM-Teilnahme. Bis dahin war es ein langer Weg: „Sunfire ist bei uns, seit er sechsjährig war, da wollte ihn keiner mehr reiten, weil er so schwierig war. Aber mein Vater hatte ein gutes Gefühl und so kam er zu uns“, erinnert sich Lindner. „Die Anfangsphase war schwierig, aber er ist ein unglaublich ehrliches und liebes Pferd. Zuerst waren wir nicht ganz so erfolgreich. Trotzdem haben alle gesehen, was für ein talentiertes Pferd Sunfire ist.“ Nach anfänglichen Selbstzweifeln wuchsen Reiterin und Pferd Schritt für Schritt besser zusammen. „Er hat mehr Kraft bekommen und ist immer sicherer geworden. Die Aufgabe beim Piaff-Förderpreis-Lehrgang hat er richtig gut bewältigt. Als wir in Mannheim Zweite wurden, konnte ich es nicht glauben. Dann wurden wir in den Kader berufen, durften bei der zweiten Sichtung in Riesenbeck starten und wurden für die EM nominiert. Darüber habe ich mich riesig gefreut“, sagt Lindner und richtet den Blick auf die bevorstehenden Aufgaben: „Ich hoffe, dass wir unsere Leistung wieder abrufen können und etwas zum Mannschaftsergebnis beitragen können.“

Raphael Netz ist ebenso wie Ann-Kathrin Lindner zum ersten Mal bei einem internationalen Championat dabei. Mit dem Hannoveraner Wallach Lacoste (von Locksley II – Wolkenstein II) war er in dieser Saison siegreich beim internationalen U25-Turnier im italienischen Ornago und überzeugte auch bei den beiden EM-Sichtungen. „Über den internationalen Start in Italien habe ich die Chance bekommen, an der EM-Sichtung teilzunehmen. Dafür bin ich unglaublich dankbar“, sagt der 20-Jährige, der dieses Jahr auch noch erfolgreich bei den Jungen Reitern (U21) mitmischte. Der gebürtige Wiesbadener ist als Bereiter im bayerischen Aubenhausen auf der Anlage der Geschwister Jessica von Bredow-Werndl und Benjamin Werndl tätig. Mit den beiden Kaderreitern trainiert Netz täglich und bereitet sich auf Turniere vor. „Bei der EM will ich mein Bestes geben und vor allem etwas lernen. Erstmal muss ich mein Pferd gut vorbereiten. Ich denke noch nicht an Medaillen und versuche, mich auf mich und mein Pferd zu konzentrieren. Natürlich geht unsere Mannschaft als Titelverteidiger an den Start und wir wollen die Serie nicht abreißen lassen“, sagt er und blickt mit Vorfreude auf die EM-Woche: „Wir sind eine coole Truppe, verstehen uns super und haben einen sehr guten Team-Spirit. Mit Sebastian Heinze und Heike Kemmer haben wir eine Top-Betreuung an der Seite, die Ann-Kathrin und mich als Neulinge auch gut an die Hand nehmen.“

Bianca Nowag (Ostbevern) gehört zu den erfahrensten Championatsreitern im Team. Die 24-Jährige gewann bereits von 2009 bis 2015 bei den Nachwuchs-Europameisterschaften (von Pony bis Junge Reiter) fünf Medaillen, darunter drei goldene. Mit ihrem Erfolgspferd Fair Play RB trug sie auch 2017 und 2018 zum Titelgewinn des deutschen U25-Teams bei. Inzwischen ist Fair Play in Rente und verbringt ihre Zeit mit anderen Zuchtstuten auf der Weide. Nowag setzt in diesem Jahr auf den bayerischen Wallach Sir Hohenstein (von Sir Donnerhall – Hohenstein). Mit ihm gewann sie alle drei Sichtungs-Prüfungen in Riesenbeck. „Sir Hohenstein ist mit seinen zehn Jahren noch jung und unerfahren. Aber in Riesenbeck war er einfach super, das ist toll gelaufen“, sagt Nowag, die selbst überrascht war: „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich nach Fair Play mit einem neuen Pferd so schnell wieder anknüpfen kann und in die EM-Mannschaft komme. Das war am Anfang des Jahres noch gar nicht klar. Aber es ist natürlich eine tolle Situation.“ Nach Italien reist die Bereiterin, die auch Mitglied der Perspektivgruppe Dressur ist, mit Plan und Hoffnung: „Erstmal konzentrieren wir uns auf die Mannschaft. An eine Einzel-Medaille denke ich noch nicht. Aber ich hoffe, es diesmal ins Einzel-Finale zu schaffen. Das hat die letzten beiden Mal leider nicht geklappt.“ Bianca Nowag ist Mitglied im Talentpool der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport und erhält Unterstützung von Förderpatin Gabriela Grillo. Zudem ist sie, genau wie Jil Becks, Stipendiatin der Deutsche Bank Reitsport Akademie.

Zeitplan:
Die Mannschaftsentscheidung der U25-Dressurreiter beginnt am Mittwoch um 16.30 Uhr. Am Freitag steht ab 8 Uhr die erste Einzelentscheidung im Kurz-Grand-Prix auf dem Programm. Die besten 18 Paare dürfen in der Grand Prix Kür am Sonntag ab 8 Uhr um eine weitere Einzelmedaille reiten. jbc

Die nominierten Reiter und Pferde der Altersklassen U14, U18 und U21 sind:

Children (U14 auf Großpferden): Clara Paschertz (Cloppenburg) mit Belvedere, Lisa Steisslinger (Böblingen) mit Havanna Negra, Allegra Schmitz-Morkramer (Hamburg) mit Lavissaro, Kenya Schwierking (Barver) mit Dinos Boy.

Junioren (U18): Anna Middelberg (Glandorf) mit Blickfang HC, Valentina Pistner (Bad Homburg) mit Flamboyant OLD, Henriette Schmidt (Naumburg) mit Rocky’s Sunshine, Jana Schrödter (Leipheim) mit Der Erbe.

Junge Reiter (U21): Alexa Westendarp (Wallenhorst) mit Four Seasons, Semmieke Rothenberger (Bad Homburg) mit Dissertation, Lia Welschof (Paderborn) mit Linus K, Paulina Holzknecht (Solingen) mit Wells Fargo.

Den Zeitplan für die EM in San Giovanni sowie Starter- und Ergebnislisten aller Altersklassen finden Sie unter results.equestrian-hub.com/show/231

(fn-press).

Zum Seitenanfang